„Digitalisierung und Telemedizin sind nicht mehr nur die Zukunftsthemen der Medizin, sie sind bereits Teil des ärztlichen Alltags, dem wir uns nicht verschließen können“, betont Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. Was bei dieser Entwicklung aber nicht auf der Strecke bleiben dürfe, „ist die persönliche Bindung zwischen Ärzten und Patienten“, warnt Szekeres.
Anlass ist ein Interview mit dem Schweizer Telemedizinpionier Andy Fischer, in dem dieser ausführt, dass telemedizinische Angebote von Patienten immer stärker angenommen würden. Szekeres: „Für die Patienten muss aber die Sicherheit bestehen, dass bei telemedizinischen Leistungen am anderen Ende der Telefonleitung auch tatsächlich eine Ärztin oder ein Arzt sitzt. Nur so ist die Qualität der medizinischen Betreuung gewährleistet und diese Bedenken müssen in allen Überlegungen zur Etablierung telemedizinischer Dienstleistungen immer berücksichtigt werden.“
In der Schweiz hat die Telemedizin bereits in den 1990er-Jahren begonnen, sich zu etablieren. Sie profitierte dabei von den sehr föderalistischen kantonalen rechtlichen Rahmenbedingungen. So hat beispielsweise die Medgate AG, Betreiberin der telemedizinischen Medgate Tele Clinic, deren CEO Fischer ist, in Basel eine telemedizinische Bewilligung und darf telemedizinische Leistungen von Basel aus für alle schweizerischen Kantone erbringen.
Auch wurde die Verrechnung von telemedizinischen Leistungen mit den Krankenkassen 2004 gesamtschweizerisch eingeführt. Die Tarife würden mit der Ausweitung der telemedizinischen Angebote auch laufend angepasst. Laut Fischer werden – nach ersten Anlaufschwierigkeiten – die Angebote sehr gut angenommen. Ebenso zurückhaltend war laut Fischer zunächst die Reaktion der Schweizer Ärzteschaft auf das damals noch neue Segment von telemedizinischen Beratungen und Behandlungen, „Telemedizin wird aber heute weitgehend akzeptiert und auch angewendet“.
Für Österreich sieht Fischer ein ähnliches Potenzial für telemedizinische Angebote und Leistungen, da die Bevölkerungsstruktur wie auch die Struktur der Ärzteschaft sehr vergleichbar seien. Voraussetzung sei natürlich die Schaffung entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen. Jedenfalls werde die weitere digitale Entwicklung in der Medizin „viele neue und gute Möglichkeiten eröffnen, ohne Ärztinnen und Ärzte oder den direkten Patientenkontakt mit ihnen zu verdrängen“. Eine Umorientierung im ärztlichen Berufsbild werde jedenfalls stattfinden müssen, meint Fischer.
Ähnlich argumentiert auch Szekeres, der darauf verweist, dass die Digitalisierung in der Medizin grundsätzlich schon vor Jahrzehnten begonnen habe, etwa mit der EDV-Auswertung von EKG-Kurven. Sie sei nicht aufzuhalten und mache immer größere Fortschritte. Szekeres spricht dabei von einer „Unterstützung durch die Telemedizin bei Diagnose und Behandlung von Patienten, aber nicht statt des direkten ärztlichen Handelns am und mit dem Patienten, sondern in einer sinnvollen Ergänzung“.