„Bei einer Blutvergiftung zählt jede Minute bis zur Verabreichung des adäquaten Antibiotikums. Pro Stunde, die ohne lebensrettende Therapie vergeht, kann die Überlebenschance bis zu 10% sinken,“ erklärt Prof. Dr. Peter Faybik von der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie im AKH Wien. „Hier ist die Intensivmedizin gefragt. Wir behandeln Patienten mit lebensbedrohlichen Zuständen so lange, bis alle ihre Vital- und Organfunktionen wieder stimmig sind und wir sie auf normale Bettenstationen verlegen können.“
ESICM-Kongress mit Sepsis-Schwerpunkt
Die Diagnose und Frühbehandlung der Blutvergiftung (Sepsis) ist einer der Schwerpunkte des diesjährigen europäischen Intensivmedizin-Kongresses (der European Society of Intensive Care Medicine), der heuer vom 23. bis 27. September mit 6.000 internationalen Intensivmedizinern im Austria Center Vienna stattfindet. Eine Sepsis ist eine komplexe, systemische Entzündungsreaktion und Immunantwort des Körpers auf eine Infektion, die häufig durch Bakterien ausgelöst wird. Im Verlauf der Blutvergiftung kommt es zu einer lebensbedrohlichen Störung der Vitalfunktionen und zum Organ- bzw. Multiorganversagen. „Durch eine schnelle Antibiotika-Therapie, adäquate Flüssigkeitszufuhr und Unterstützung der Organfunktionen – wie künstliche Beatmung, medikamentöse Kreislaufunterstützung und Nierenersatztherapie – können wir in der Intensivmedizin die kritischen Phasen überbrücken. Wesentlich ist jedoch, dass bereits bei ersten Anzeichen sofort reagiert wird, denn mit jeder Stunde, in der das Antibiotikum später verabreicht wird, steigt die Sterblichkeit um 10 %“, betont Faybik, der nationaler Vertreter im internationalen Council der ESICM ist. Insgesamt bestehe bei einer Sepsis, wenn sie rechtzeitig erkannt und behandelt wird, eine Überlebenschance von 70%.
Immer mehr ältere Intensivmedizin-Patienten
Generell steigt die Zahl der Intensivmedizin-Patienten stetig an. Eine Ursache liegt in der demographischen Entwicklung. Sie trägt wesentlich dazu bei, dass immer ältere und kränkere Personen postoperativ oder im Rahmen von akuter oder chronischer Erkrankung intensivmedizinische Betreuung benötigen. „In der Regel ist hier die Regenerationsfähigkeit der älteren und kränkeren Patienten stark herabgesetzt und es bedarf einer längeren intensivmedizinischen Betreuung,“ so Faybik. Österreich sei jedoch mit 2.260 Intensiv-Betten bei 8,747 Mio. Einwohnern im internationalen Vergleich relativ gut aufgestellt.
Ziel der Intensivmedizin: möglichst rasche Mobilisierung der Patienten
Generell landen kritisch erkrankte Patienten entweder nach einem komplexen geplanten oder ungeplanten chirurgischen Eingriff oder im Zuge einer internistischen Erkrankung auf Intensivstationen. Zentrales Ziel ist dort, die Patienten so schnell wie möglich selbstständig zu machen, indem eine möglichst kurze und nur minimal notwendige Analgo-Sedierung verabreicht wird. „Das ist wichtig, denn je länger ein Patient schläft, desto mehr baut seine Muskelkraft ab. Selbst jüngeren Menschen fällt dann schon nach ein paar Tagen das Aufstehen schwer,“ so Faybik, Hinzu kommt, dass sich bei längerer Sedierung häufig ein Verwirrtheit-Zustand einstellt. Hier braucht es dann auch eine Zeit, bis der Patient wieder geistig völlig klar ist und sich bei der Mobilisierung aktiv beteiligen kann.“ Insgesamt erhöht sich die Überlebenschance der Patienten durch die Kombination aus möglichst geringer Sedierung, adäquatem Einsatz von Schmerzmitteln und früher Mobilisierung enorm. „Auch die Weiterentwicklung technisch immer ausgereifterer Geräte im Bereich Dialyse und künstlicher Beatmung kommen uns hier zur Hilfe,“ betont Faybik.