Eine Querschnittsstudie der MedUni Wien bei PatientInnen mit chronischer Herzinsuffizienz konnte nun zeigen, dass die PatientInnen auf die zur Basistherapie verabreichten ACE-Hemmer individuell sehr unterschiedlich ansprechen. Möglicherweise dominieren in den Untergruppen verschiedene körpereigene überaktivierte Systeme das Krankheitsbild. Dies gibt erstmalig einen Erklärungsansatz, warum nicht alle PatientInnen von einem ACE-Hemmer gleichermaßen profitieren. Die Erkenntnisse der Studie unterstützen die Bemühungen in der Entwicklung einer zielgesteuerten individualisierten Therapie (Präzisionsmedizin) in der Herzinsuffizienz. Wien wird Ende Mai 2018 mit zwei Kardiologie-Kongressen zum Treffpunkt internationaler HerzspezialistInnen.
Die chronische Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche) wird in der westlichen Gesellschaft aufgrund ihrer Häufigkeit, Sterblichkeit und Spitalsaufnahme eine zunehmende Herausforderung. Sie ist mit einem langem Krankheitsverlauf, hohem Leidensdruck und schlechter Prognose für die Betroffenen verbunden.
Die Basistherapie der chronischen Herzinsuffizienz stellt seit 25 Jahren der ACE-Hemmer (angiotensin-converting-enzyme inhibitor) dar. Dieser beeinflusst das Renin-Angiotensin-System, das den Volumenhaushalt und Blutdruck reguliert. Die Überaktivierug dieses Hormonsystems wird als wesentlicher Mechanismus angenommen, der das Fortschreiten der Erkrankung begünstigt. Der Einsatz von ACE-Hemmern verbessert nicht nur die Beschwerden oder Leistungsfähigkeit der PatientInnen, er verhindert auch Spitalsaufnahmen und verlängert das Überleben. Daher gilt bisher die Empfehlung, jedem Betroffenen mit einer Herzinsuffizienz einen ACE-Hemmer zu verschreiben. Gleichzeitig weiß man, dass man nicht jedem Patienten damit helfen kann. Offenbar gibt es unterschiedliche Phänotypen in der Herzinsuffizienz, welche konsequenterweise das Ansprechen auf die Therapie beeinflussen.
Die Querschnittsstudie wurde von Noemi Pavo an der Herzinsuffizienzambulanz der Klinischen Abteilung für Kardiologie der MedUni Wien/AKH Wien durchgeführt und untersuchte erstmals das gesamte Renin-Angiotensin-System in PatientInnen mit chronischer systolischer Herzinsuffizienz unter ACE-Hemmern. Dies war mit einer neuartigen aufwendigen massenspektrometrischen Analyse möglich, die das Hormonsystem ganzheitlich abbildet. Trotz vergleichbarer Medikamentenarten und –dosierungen sowie unabhängig vom Schweregrad der Herzinsuffizienz zeigten die PatientInnen eine individuell extrem unterschiedliche Therapieantwort auf der molekularen Ebene des Renin-Angiotensin-Systems.
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sich die Aktivierung der entscheidenden Peptide direkt mittels des leicht bestimmbaren Renins abschätzen lässt, sodass sich zukünftige Untersuchungen auch an großen Patientenzahlen durchführen lassen. Bedeutend in diesem Zusammenhang ist die neue Erkenntnis, dass bei vielen PatientInnen mit Herzinsuffizienz oben genanntes Renin-Angiotensin-System offenbar gar nicht oder nur unwesentlich aktiviert ist. Dies gibt erstmalig einen Erklärungsansatz, warum nicht alle PatientInnen von einem ACE-Hemmer profitieren. Hier dominieren möglicherweise andere körpereigene überaktivierte Systeme das Krankheitsbild. Auf der anderen Seite gibt es viele PatientInnen mit einer exzessiven Aktivierung des Renin-Angiotensin-Systems, welche möglicherweise eine aggressivere Therapie benötigen.
Präzisionsmedizin bei Herzinsuffizienz
Die Erkenntnisse der Studie unterstützen die Bemühungen in der Entwicklung einer zielgesteuerten individualisierten Therapie in der Herzinsuffizienz mit der Möglichkeit einer Therapieanpassung je nach vorliegendem Phänotyp mit bereits bekannten Medikamenten. Sie eröffnen gleichzeitig weitere Fragestellungen betreffend der Regulation des Renin-Angiotensin-Systems mit potentieller Entwicklung neuer Ansatzpunkte der Herzinsuffizienztherapie.
Die chronische Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche) stellt in der westlichen Gesellschaft eine zunehmende Herausforderung dar. Deshalb nimmt die Herzinsuffizienz in der europäischen Gesellschaft für Kardiologie inzwischen bereits den größten Raum ein. Im Mai dieses Jahres werden mehr als 5.000 KardiologInnen in Wien zu einem diesbezüglichen Fachkongress erwartet.
Literatur
Pavo N, Goliasch G, Wurm R, Novak J, Strunk G, Gyöngyösi M, Poglitsch M, Säemann MD, Hülsmann M. Low- and High-renin Heart Failure Phenotypes with Clinical implications. Clin Chem. 2017 Nov 14. pii: clinchem.2017.278705. doi: 10.1373/clinchem.2017.278705.