Schwangerschaft: Kaffee, Nikotin und Amphetamine aktivieren „Hot Spots“ im Gehirn des Ungeborenen

Werden in der Schwangerschaft vermehrt die Psychostimulanzien Kaffee, Nikotin und Amphetamin von der werdenden Mutter eingenommen, dann erhöht sich das Risiko beim Kind für neurologische und psychiatrische Probleme. ForscherInnen vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien konnten nun jene Gehirn-Regionen identifizieren, die als „Hot Spots“ für die Psychostimulanzien fungieren und dass die Reaktionen der Mutter auf diese Stoffe ganz unterschiedlich zu jenen des Babys verlaufen. Die Studie wurde nun im Top-Journal PNAS veröffentlicht.

Drogenmissbrauch während der Schwangerschaft birgt ein erhebliches Risiko und beeinträchtigt die Entwicklung des Fötus. Obwohl die Mutter auf bestimmte Psychostimulanzien nicht besonders auffällig reagiert, können diese Drogen unabhängig und permanent die Gehirnentwicklung des Babys bzw. des Kindes beeinflussen.

Bisher waren die genauen Gehirnareale, die durch den Drogenkonsum der Mutter stark beeinflusst werden, nicht genau gekannt. Die aktuelle Studie vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien in Kooperation mit dem schwedischen Karolinska Institut hat nun gezeigt, dass episodische Exposition zu Amphetamin, Nikotin oder Koffein während der Schwangerschaft eine breite Fehlaktivität im fetalen Gehirn auslöst und dadurch insbesondere die Entwicklung des „Indusium griseum“ (IG) beeinträchtig. IG ist ein Areal des Großhirns, das im Mausmodell auf alle getesteten Psychostimulanzien reagiert hat.

„Im Indisium griseum wurde ein neuer Typus von Neuronen gefunden, dessen Entwicklung von Psychostimulanzien stark gebremst wird, sodass das Baby mit Neuronen geboren wird, die in einem fetalen Zustand sind. Eine wesentliche Folge ist, dass sich diese Zellen langfristig nicht mehr in das Gehirn integrieren können“, erklärt Studienleiter Tibor Harkany vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien.

Die ForscherInnen haben für Ihre Analyse die klassische Neuroanatomie mit dem modernsten RNA-Sequencing-Verfahren kombiniert, um zu zeigen, wie molekulare Störungen in Neuronen des Indisuim griseum vorkommen. „Insbesondere die Ebene eines bestimmten Proteins, jene des Secretagogin, ist reduziert. Dieser Mangel behindert den Mechanismus, durch den Nervenzellen Informationen integrieren können. Das wurde auch in genetischen Modellen nachgewiesen. Mäuse, die dieses Protein nicht haben, reagieren auf Psychostimulanzien wie Methamphetamine mit einem erhöhten Risiko für Epilepsie“, erklärt Studien-Erstautor Janos Fuzik vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien. Die Folge: Kinder könnten auch ein erhöhtes Risiko entwickeln, später eine Epilepsie zu bekommen, weil die anatomische Struktur des Indusium griseum auch im menschlichen Gehirn als eine dünne Schicht grauer Substanz existiert.

Erstmals neuronale Population im humanen IG nachgewiesen

Eine „überraschende Beobachtung“, so Harkany, war, dass es im Indusium griseum überhaupt eine neuronale Population gibt. „Bisher war die Wissenschaft der Meinung, dass es in diesem Areal keine oder nur geringen Zahlen von Nervenzellen gibt“, betont er. Die genaue Funktion dieser Zellen beim Menschen muss erst wissenschaftlich überprüft werden.

„Das zeigt aber jedenfalls, dass die Netzwerke im Gehirn komplexer sind als bisher gedacht und dass die Koordination von Gehirn-Funktionen noch vielfältiger ist als bisher erwartet“, betont Thomas Hökfelt, Adjunct Professor am Zentrum für Hirnforschung, der am schwedischen Karolinska Institut tätig ist. Da diese Neuronen in kognitiven Netzwerken eingebunden sind und wahrscheinlich Denken und Erinnern ermöglichen, kommt es durch die Psychostimulanzien zur Störung dieses Netzwerks in deren Entwicklungsphase, lebenslange Defizite könnten die Folge sein.

Literatur

“Brain-wide genetic mapping identifies the indusium griseum as a prenatal target of pharmacologically-unrelated psychostimulants.” Janos Fuzik, Sabah Rehman, Fatima Girach, Andras G. Miklosi, Solomiia Korchynska, Gloria Arque, Roman A. Romanov, János Hanics, Ludwig Wagner, Konstantinos Meletis, Yuchio Yanagawa, Gabor G. Kovacs, Alán Alpár, Tomas G. M. Hökfelt and Tibor Harkany. DOI: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1904006116.

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