Vorarlberger Ärztekammer-Präsident Michael Jonas warnt: Tendenzen zur Verstaatlichung der Medizin in Österreich

Die Bedürfnisse der Patienten und die Antworten der Gesundheitspolitik liegen immer noch weit auseinander. Anstatt grundsätzlich über neue Wege für eine moderne und gerechte Gesundheitsversorgung nachzudenken, werden veraltete Systeme mit zentralistischen Maßnahmen weiter verschlechtert. Aus Sicht der westlichen Bundesländer sind die letzten Vorschläge von Gesundheitsministerium und Sozialversicherung eindeutige Tendenzen zur Verstaatlichung der Medizin, wie dies in Ostösterreich teils schon der Fall ist, kritisiert Ärztekammer-Präsident Michael Jonas aus Vorarlberg. „Die österreichische Gesundheitspolitik befindet sich in einer Sackgasse. Auf dem Rücken der Patienten und Ärzte wird eine Politik betrieben, die an eine andernorts vor Jahrzehnten abgeschaffte Planwirtschaft erinnert.“

Als Beispiel dafür nennt Jonas die neuerdings angedachten “intelligenten Pauschalierungen” für die Leistungshonorierung im niedergelassenen Bereich. Für die Patienten hätte dies dramatische Folgen, denn hinter den schönen Worten einer „intelligenten Pauschalierung“ versteckt sich eine Rationierung von Gesundheitsleistungen. Wenn die Pauschale aufgebraucht ist, gibt es für den Patienten entweder keine Leistungen mehr oder der Arzt arbeitet gratis. „In keiner anderen Branche wäre so eine Überlegung auch nur denkbar“, so Jonas und deckt die Zielsetzungen dieser patientenfeindlichen Gesundheitspolitik in Österreich auf: Entgegen den öffentlichen Beteuerungen der Gesundheitsministerin und des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger wird gerade durch eine Pauschalierung eine 2-Klassen-Medizin forciert, indem ärztliche Leistungen für den normal versicherten Bürger rationiert werden. Ein Vorschlag mit weit reichenden Folgen: von einer weiteren Verlängerung der Wartezeiten über Versorgungsprobleme bis zu noch mehr sinnloser Bürokratie für die Ärzte.

Sinnlose Kontrolle und überbordende Bürokratie – mit Null Ergebnis

Dabei bedienen sich die politisch Verantwortlichen zur Kontrolle der Ärzte genauso wie in der Wirtschaft bürokratischer Maßnahmen, die letztlich deutlich mehr Kosten und Aufwand verursachen als sie vermeintlich bringen. Ein Beispiel dafür ist laut Jonas der Versuch, die Medikamentenkosten mittels des sogenannten „Arzneimittelbewilligungsservice“, kurz ABS, zu kontrollieren. Jonas:
„In der Praxis ist dies kein Service, sondern ein bürokratischer Wahnsinn bei der Verordnung von chefarztpflichtigen Medikamenten. Im Jahr 2014 mussten von den österreichischen Ärztinnen und Ärzten 2,5 Millionen Anträge bei den Krankenkassen gestellt werden, um diese für die Behandlung notwendigen Medikamente zu verordnen.“

Ein Beispiel aus Jonas’ Praxis

Am 5.1.2016 musste Jonas für einen 63jährigen SVA-Versicherten vier Anläufe via Arzneimittelbewilligungsservice machen, damit er das Medikament entsprechend den internationalen und nationalen Richtlinien von mir verordnet bekommen konnte. Nicht Sachargumente, sondern die Drohung mit der Öffentlichkeit hat dann zum Einlenken der “Chefärztin” im Osten geführt. Das ABS existiert seit 2005, 10 Prozent aller KassenärztInnen werden auf dieser Basis jährlich kontrolliert, was zusätzlich stundenlange Dokumentationsarbeit für jeden Arzt bedeutet. Angesichts unbesetzter Kassenarztstellen wären die in diesem System tätigen Vertrauens-/Chefärzte in der Patientenversorgung wesentlich sinnvoller eingesetzt. Zur Erinnerung: Aktuell gibt es in Österreich um 900 Kassenärzte weniger als vor 15 Jahren, und das trotz steigender Bevölkerungszahlen und einer immer älteren und entsprechend betreuungsbedürftigeren Gesellschaft.

Was bringt nun diese Maßnahme tatsächlich? Im Jahr 2014 gab es 80 Sanktionen für die Kassenärztinnen mit einem Gesamtwert von 867 Euro! Damit lassen sich die Mehrkosten für die Vertrauensärzte der Sozialversicherung in keinster Weise rechtfertigen, kritisiert Jonas und weist darauf hin, dass das ABS auch keine positiven Auswirkung auf die Kostensteigerung der Medikamente gebracht hat. Im Gegenteil – 2014 sind die Kosten dennoch um acht Prozent gestiegen, so der Vorarlberger Ärztekammer-Präsident Michael Jonas.

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