Städtische Grünflächen als wichtiger sozialer Faktor in Krisenzeiten

Positive Gesundheitseffekte bei Pandemien und Hitzeperioden durch städtische Grünflächen in Studie nachgewiesen.

Während der Lockdowns in der Corona-Pandemie konnte die Bevölkerung in dicht bebauten Stadtgebieten an stark frequentierten Plätzen die vorgeschriebenen Verhaltensregeln und den Schutzabstand oft nur schwer einhalten. Innerstädtische Parks und Grünanlagen wurden besonders ausgiebig zu Erholungszwecken genutzt. „Regelmäßige körperliche Aktivität ist wichtig für unsere Gesundheit, psychisch und physisch. Ausreichende Grünflächen im urbanen Raum leisten einen wichtigen Beitrag als Bewegungs- und Begegnungszone. Der Bedarf an Natur in der Stadt ist insbesondere in Ausnahmesituationen enorm“, sagt die Umweltmedizinerin Daniela Haluza vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien, die gemeinsam mit KollegInnen von der Universität für Bodenkultur Wien (Boku Wien) dazu nun eine aktuelle Studie veröffentlicht hat, in der das Angebot an Grünflächen in Wien analysiert und in den sozialen Kontext gestellt wird. 

Das zentrale Ergebnis der Analyse: Grüne Freiflächen und begrünte Gebäude in ausreichender Größe helfen der Bevölkerung zum einen, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, und wirken sich zum anderen positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen in Zeiten einer Pandemie aus. Grün- und Freiräume in der Stadt sind gleichzusetzen mit qualitativ hochwertigen urbanen Lebensräumen. 

Forderung nach mehr Grün in Wien – vor allem innerstädtisch

„Viele innerstädtische Gehsteige sind weniger als zwei Meter breit. Daher ist es räumlich schwierig, ausreichend Abstand, Stichwort Babyelefant, zu halten. Das war während der Beschränkungen zur Bewältigung der Pandemie sehr herausfordernd“, betont Gesundheitsexpertin Haluza. Die Zahlen sprechen laut den Forschungsergebnissen für sich – zum Beispiel: Die Josefstadt verfügt nur über eine Grünfläche von 0,8 Quadratmetern pro Person, in Neubau sind es 1,2 Quadratmeter und in Margareten 1,5 Quadratmeter. „Das ist pro Person im Durchschnitt einfach zu wenig Platz“, bilanzieren die ForscherInnen. 

Nimmt man die ganze Bundeshauptstadt in Betracht, so gibt es durchschnittlich 9,3 Quadratmeter Grünfläche pro EinwohnerIn. Dem gegenüber stehen allerdings 12,4 Quadratmeter Pro-Kopf-Straßenfläche (ohne Gehwege und baulich getrennte Radwege). Noch höher ist die Ungleichheit in den dicht bebauten innerstädtischen Arealen, z.B. mit 1,2 Quadratmeter Parkfläche vs. 6,5 Quadratmeter Straßenfläche im Bezirk Neubau. 

Diese hauptsächlich vom motorisierten Verkehr in Beschlag genommenen Flächen, so Haluza, könnten alternativ als Grün- und Freiräume genutzt werden. Bis jetzt wenig beachtet ist in diesem Zusammenhang die Frage der sozialen Fairness: In Wien leben sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen häufig in dicht bebauten Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen und wenig Grün. Dazu kommt, dass gerade diese sozial schlechter gestellten Personen eher in beengten Wohnverhältnissen leben, unter gesundheitlichen Problemen leiden und durch medizinische Informationskampagnen schwer zu erreichen sind – dadurch treffen Einschränkungen während Pandemie und klimawandelbedingten Auswirkungen gleichermaßen diese Menschen besonders hart.

„Unsere Forschungsergebnisse zeigen ganz deutlich, dass die sozial gerechte Verteilung der Grün- und Freiräume – qualitativ und quantitativ – in Zeiten von Pandemien und Klimawandel ein brisantes Thema ist. Um die Lebensqualität in Städten zu erhöhen, ist aus unserer Sicht ein rasches und radikales Umdenken nötig. Die Straßenfreiräume in der Stadt sollen nicht nur motorisierte Mobilität ermöglichen, sondern auch Bewegungs- und Begegnungszonen und erweiterter urbaner Lebensraum sein. Gebäudeflächen müssen mehr leisten als nur Wohnraum; ratsam wäre etwa auch eine nachhaltige Kühlung durch Begrünung“, fassen die StudienautorInnen zusammen. 

Literatur 

„Urban Green Infrastructure and Green Open Spaces: An Issue of Social Fairness in Times of COVID-19 Crisis.” Florian Reinwald, Daniela Haluza, Ulrike Pitha and Rosemarie Stangl. Sustainability 2021, 13, 10606. https://doi.org/10.3390/su131910606

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