Praxisübernahme sachte vornehmen

Allzu abrupte Neuerungen können dazu führen, dass bestehenden Patienten abspringen. Aus diesem Grund sollte man bewusst die drei Phasen des „Change Management“ beachten.

Von Daniel Izquierdo-Hänni, Referent für Medical Marketing und Patientenkommunikation. Gründer von www.swissmedicalmarketing.com

Wer ein Unternehmen, sprich eine Ordination, selber gründet, kann diese von Anfang an selber prägen: Wie soll der Praxisname lauten? Welche Werte sollen vermittelt werden? Wie soll der Auftritt nach außen aussehen? Bei der Übernahme einer bestehen Ordination hingegen stellen sich ganz andere Herausforderungen.

Veränderungen werden von den Menschen unterschiedlich wahrgenommen und, ohne in Klischees verfallen zu wollen, ist es in der Regel doch so, dass Jüngere offener gegenüber Veränderungen sind als etwa die ältere Generation. Diese Tatsache spielt eine nicht unwichtige Rolle wenn man als jüngerer Mediziner von Arztkollegen, die in Rente gehen, die Ordination mitsamt dem Patientenstamm übernimmt. Denn oftmals sind diese „Stammkunden“ schon in einem fortgeschrittenen Alter.

Wer also eine bestehende Praxis erfolgreich weiterführen möchte, sollte sein Vorgehen für die kommenden ein, zwei Jahre klar planen. In der Wirtschaft verwendet man dafür den Begriff „Chance Management“, wobei dieses aus drei Phasen besteht: Zuerst die Auftauphase (unfreezing), bei welcher es darum geht die aktuelle Situation unter die Lupe zu nehmen und erste, sanfte Veränderungen vorzunehmen. Diese wird gefolgt von der Bewegungsphase (moving), in welcher größere Veränderungen durchgeführt werden. Und zum Schluss kommt die Einfrierphase (freezing), also die Festigung respektive Konsolidierung des Zustandes, welchen man erreichen möchte.

Vertrauen weitergeben und übernehmen

Die Medizin ist, und das wissen wir alle, ein Vertrauensbusiness, gerade bei Einzelpraxen und kleinen Kliniken sind die Patienten voll auf ihren Arzt fixiert, auf dessen Art und Charakter. Aus diesem Grund muss bei einer Übernahme sichergestellt werden, dass diese vom ehemaligen Praxisinhaber mitbegleitet wird. Und damit meine ich nicht jenen Brief, in welchem der in Rente gehende Arzt seinen Patienten seinen Nachfolger vorstellt. Dieser ist natürlich korrekt und entsprechend üblich, aber bei weitem nicht genug! Die Praxisübergabe sollte vom ehemaligen Inhaber sachte begleitet werden, sagen wir mal über einen Zeitraum von einem Jahr. Denn nur so kann (einigermaßen) sichergestellt werden, dass die ehemaligen Patienten auch wirklich „emotional“ übernommen und behalten werden können.

Möglichkeiten hierfür gibt es viele, wobei diese natürlich von den Persönlichkeiten des ehemaligen sowie des neuen Praxisinhabers abhängen. Ein, zwei Informationsabende – locker, nach Feierabend, vielleicht sogar mit einem kleinen Umtrunk –, an welchen der Senior den Junior Neuen vorstellt, wäre sicherlich keine schlechte Idee. Den bisherigen Arzt über eine bestimmte Zeit als offizieller „Senior Medical Consultant“ weiter an Bord zu haben und dies zum Beispiel auch auf der Website zu kommunizieren, wäre eine weitere Maßnahme. Ebenso interessant ist die Möglichkeit, die Konsultationen von ausgewählten, für die Praxis besonders wichtige Patienten (neudeutsch: Influencern) von beiden Ärzten gemeinsam  durchzuführen. Das ist zwar doppelt gemoppelt, bei wirklich wichtigen Patienten jedoch sicherlich das Beste um das Vertrauen sozusagen weiter zu reichen.

Aus alt mach neu, aber sachte!

Aber auch bei der Bewegungs- respektive Veränderungsphase sollte man nichts überstürzen, läuft man doch sonst Gefahr die bestehenden Patienten zu verunsichern, wenn nicht sogar zu erschrecken. Und diese sind, bis man eines Tages seinen eigenen Vertrauenszirkel an Neupatienten aufgebaut hat, aus wirtschaftlicher Sichtweise überlebenswichtig.

Dass man einer übernommenen Ordination seinen eigenen Stempel aufdrücken möchte ist selbstverständlich, nur sollte diese Veränderung sanft und sachte durchgeführt werden. Gleich zu Beginn eine vollständige Renovation der Räumlichkeiten vorzunehmen, ist sicherlich keine gute Idee. (Abgesehen, dass die meisten Übernehmenden kein Geld für eine solche Investition haben.) Warum also nicht erstmal die Wände mit einer neuen Farbe streichen, oder einzelne Bereiche wie etwa den Empfang oder das Wartezimmer mit einer neuen Theke respektive mit coolen Ikea-Stühlen auszustatten? Danach, wenn man das Gefühl hat, dass die Patienten die Veränderungen verinnerlicht haben, kann man einen zweiten Schritt vornehmen, später einen dritten, und  danach einen vierten.

Es gilt also etwas Geduld zu haben bevor man zur dritten Phase im Veränderungsmanagement übergeht, dem „freezing“. Zu welchem Zeitpunkt man diese endgültige Festigung der neuen, vollständig auf sich zugeschnittenen Praxis vornehmen kann, kann schwerlich allgemeingültig definiert werden. Schließlich unterscheidet sich jede Ordination von dessen Charakter, Geschichte, Spezialität, Patientenstamm und Umfeld von den anderen. Ein sicherlich guter Moment ist dann gekommen, wenn man mehr eigene als übernommene Patienten behandelt. Denn dann ist man nicht mehr der Nachfolger, sondern eben der Inhaber der Ordination.

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