Wie massiv die „Innere Uhr“ die Stoffwechselprozesse beeinflusst, konnten Forscher vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke in einer randomisierten Studie zeigen, deren Ergebnisse im Februar 2017 veröffentlicht wurden: Bei Männern mit Prädiabetes – einer Zuckerstoffwechselstörung, die als Vorstufe zum Diabetes-Typ 2 gilt – wirkte sich der abendliche Verzehr von kohlenhydratreichen Lebensmitteln negativ auf die Blutzuckerregulation aus. Einen positiven Effekt hatte hingegen eine auf den Vormittag konzentrierte Kohlenhydratzufuhr.
An der Studie nahmen 29 Männer im Alter von Mitte 40 teil, die mit einem durchschnittlichen Body-Mass-Index von 27 kg/m2 zwar übergewichtig, aber nicht adipös waren. Bei elf Teilnehmern lag ein Prädiabetes vor, die restlichen 18 Studienteilnehmer verfügten über eine physiologische Blutzuckerregulation. Die Probanden mussten für jeweils vier Wochen zwei unterschiedliche Diäten einhalten. Diese waren in der Menge an Kalorien, Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß identisch und entsprachen den allgemeinen Vorgaben für eine ausgewogene Ernährung. So lag in beiden Diäten A und B der Gesamtanteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr bei 50 Prozent, der Anteil der Fette bei 35 Prozent und der des Eiweißes bei 15 Prozent. In der kohlenhydratreichen Diätphase wurde der Anteil der Kohlenhydrate an der Energiezufuhr auf 65 Prozent hochgesetzt und der Anteil der Fette auf 20 Prozent reduziert, während in der fettbetonten Diätphase der Kohlenhydratanteil an der Energiezufuhr nur 35 Prozent betrug und der Fettanteil hingegen bei 50 Prozent lag. Der Eiweißanteil blieb in beiden Phasen jeweils bei 15 Prozent. Die Studienteilnehmer der Diät-Gruppe A ernährten sich von morgens bis 13.30 Uhr kohlenhydratbetont und von 16.30 bis 22.00 Uhr fettbetont. In der Gruppe B nahmen die Teilnehmer vormittags fettreiche und abends kohlenhydratreiche Nahrungsmittel zu sich.
Alle Teilnehmer hielten im Zeitraum der Studie ihr Körpergewicht. Während jedoch bei den gesunden Teilnehmern kein Einfluss auf die Blutzuckerregulation beobachtet werden konnte, so verschlechterte sich bei den elf Teilnehmern mit Prädiabetes nach den stärke- und zuckerhaltigen Mahlzeiten am Abend die Zuckertoleranz. Ihr Blutzucker stieg durchschnittlich um 7,9 Prozent an. Diese sogenannte postprandiale Hyperglykämie werteten die Forscher als Signal einer zunehmenden Insulinresistenz, die zu einem späteren Zeitpunkt zum Diabetes führen kann.
Die Ursache der tageszeitabhängigen Unterschiede ist noch nicht vollständig geklärt – die Forscher vermuten, dass die verminderte Ausschüttung der Darmhormone Glucagon-like peptide-1 (GLP-1) und Peptid YY (PYY). GLP-1 die Freisetzung von Insulin aus den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse steigert. PYY hemmt die Magenentleerung und die Bildung von Verdauungssekreten. Die Ausschüttung dieser beiden Darmhormone unterliegt einer bestimmten Tagesrhythmik. „Die zirkadiane Rhythmik der Hormonausschüttung beeinflusst also, wie wir auf Kohlenhydrate reagieren“, sagt Endokrinologe Andreas Pfeiffer, der am DIfE die Abteilung Klinische Ernährung leitet. Auch wenn dieser Pathomechanismus noch weiterer Forschung bedarf, sind die Unterschiede im Blutzuckerprofil so beträchtlich, dass die Wissenschaftler Menschen mit Prädiabetes raten, auf kohlenhydratreiche Mahlzeiten am Abend zu verzichten. Die Original-Publikation der Studie „The effect of diurnal distribution of carbohydrates and fat on glycaemic control in humans: a randomized controlled trial”, Scientific Reports 7, 44170 (Kessler, K. et al.) kann unter nachfolgendem Link heruntergeladen werden.